Ermüdungsfrakturen im Sport sind häufige Verletzungen beim Athleten und können zu einem großen Einschnitt in Trainings- und Wettkampfrhythmus führen. Mit am häufigsten betroffen ist hierbei die untere Extremität, wobei es zu Überlastungsschäden des Knochens durch wiederholte und einseitige Beanspruchung kommt.
Generell werden zwei Typen von Ermüdungsfrakturen unterschieden, solche bei denen es zur Überlastung des gesunden Knochens kommt und diejenigen bei denen es unter normaler Belastung, aber vorgeschwächter Knochenstruktur zur Ermüdungsfraktur kommt.
Den größten Einfluss auf Entstehung von Ermüdungsfrakturen tragen hierbei Trainingsbelastung und ‑beanspruchung. Symptome präsentieren sich meist unspezifisch, treten typischerweise während der Belastung auf und können zum Abbruch der sportlichen Betätigung führen. Im Spätstadium kann es zu Weichteilschwellung oder Kallusbildung kommen.
Radiologisch sind Veränderungen erst spät sichtbar. Die MRT-Untersuchung hat sich hierfür als Goldstandard für eine frühzeitige Erkennung und Stadien-gerechte Einteilung etabliert. Dementsprechend lassen sich Behandlungart, ‑dauer, und Rehabilitation festlegen.
Zentraler Pfeiler der Behandlung von Ermüdungsfrakturen ist die Reduktion der (Trainings-)Belastung auf ein Level unterhalb der Schmerzgrenze. Grundsätzlich ist eine operative Therapie selten indiziert, jedoch gibt es spezifische Ermüdungsfrakturen bei denen ein konservatives Management frustran verlaufen kann.
Hintergrund
Ermüdungsfrakturen sind häufige Verletzungen bei Sportlern und treten überwiegend im Fuss- und Beinbereich auf. Prädisponiert sind Tibia, Os naviculare, Os metatarsalia und Fibula.1 Betroffen sind hiervon meist Laufsportler oder Leichtathleten, aber auch Spielsportarten wie Fußball, Volleyball oder Basketball können Ermüdungsfrakturen provozieren. Auch an der oberen Extremität werden Ermüdungsfrakturen beobachtet, so z.B. Stressfrakturen der Handwurzelknochen bei Tennis- oder Squashspielern. Die Häufigkeit von Ermüdungsfrakturen ist je nach Sportart sehr variabel und kann bis zu 47% erreichen.2, 3
Ermüdungsfrakturen (= Stressfrakturen) sind Überlastungsschäden des Knochens durch wiederholt, einseitige Beanspruchung, welche durch ihre Gleichförmigkeit und Dauerhaftigkeit den Knochen überfordern. Hierbei kommt es zu Veränderungen der Anordnung von Knochenbälkchen (welche die Traglinien des Knochens darstellen) und nachfolgend zu einer Reaktion der Knochenhaut in Form von Flüssigkeitsansammlung (Ödem). Die Anlagerung von Flüssigkeit (Knochenmarködem) ist meist der Zeitpunkt an dem es erstmals zum Auftreten von Schmerzen kommt.
Grundsätzlich werden zwei Typen von Ermüdungsfrakturen unterschieden, solche bei denen es zur Überlastung des gesunden Knochens kommt und diejenigen bei denen es unter normaler Belastung, aber vorgeschwächter Knochenstruktur zur Ermüdungsfraktur kommt. Den größten Einfluss auf Entstehung von Ermüdungsfrakturen tragen hierbei Trainingsbelastung und ‑beanspruchung, weshalb die Analyse von Belastung, Trainingsumständen und Risikofaktoren notwendig ist.
Klinik
Die Symptome von Ermüdungsfrakturen sind meist unspezifisch. Leitsymptom sind Schmerzen welche oft als dumpf beschrieben werden und typischerweise während der Belastung auftreten. Im Anfangsstadium treten Belastungsschmerzen erst gegen Ende der sportlichen Aktivität ein, im fortgeschrittenen Stadium verschiebt sich der Schmerzbeginn stetig zu einem früheren Zeitpunkt und kann letztendlich sogar zum Abbruch der sportlichen Aktivität führen. Anamnestisch sind kürzlich erfolgte Änderungen im Training (Steigerung der Intensität, Dauer) oder extrinsische Faktoren (Wechsel von Schuhwerk oder Untergrund) zu erfragen.
Im Spätstadium können Weichteilschwellung oder Kallusbildung in der klinischen Untersuchung beobachtet werden. Provokationstests (mit Kompression/ Biegung) können Hinweise auf das Vorliegen einer Ermüdungsfraktur liefern. Die Beweglichkeit der angrenzenden Gelenke ist meistens nicht eingeschränkt und schmerzfrei. Die Suche nach anatomischen Fehlstellungen, welche eine Stressfraktur begünstigen können (z.B. Genu varum, Platt- oder Hohlfüße, Beinlängendifferenzen) hat zu erfolgen.
Bildgebung
Zur sicheren Diagnosestellung und Stadien-gerechten Einteilung bedarf es bildgebender Verfahren.
Im konventionellen Röntgen werden Veränderungen der Knochenstruktur bei Ermüdungsfrakturen spät oder gar nicht sichtbar. Typische Zeichen sind hierbei die Periostanhebung, Verdickung der Kortikalis, Kallusbildung oder schließlich das Abzeichnen einer Frakturlinie.4 Bei unauffälligem Röntgenbild aber klinischem Verdacht einer Ermüdungsfraktur ist die Diagnostik mit Magnetresonanztomographie (MRT) oder Knochenszintigraphie zu eskalieren.5–7 In mehreren Studien konnte gezeigt werden, dass die MRT der Knochenszintigraphie hinsichtlich Sensivität gleichwertig ist, aber eine noch höhere Spezifität aufweist. 5–7
Anhand der MRT-Untersuchung erfolgt die Einteilung der Schwere nach Arendt et al.6, welche Grad 1 und 2 als „low grade“ und Grad 3 und 4 als „high grade“ klassifiziert. Fredericson et al.7 unterscheiden in ihrer Klassifikation zusätzlich zwischen Periost- und Knochenmarksreaktion. Diese Stadieneinteilung weist im klinischen Alltag eine gute Korrelation zwischen radiologischem Befund und klinischer Symptomatik auf. Anhand dieser Klassifikation lassen sich weiteres Procedere und Behandlungsdauer festlegen. Ein weiterer Vorteil der MRT ist die geringe Strahlenbelastung, welche Verlaufsuntersuchungen im Intervall ermöglichen.
Mögliche Differentialdiagnose zur Ermüdungsfraktur — sind neben Osteomyelitis und Osteonekorse – die Knochenkontusion mit sogenanntem „bone bruise“. Die Unterscheidung im MRT gestaltet sich oft schwierig, richtungsweisend sind hierbei Trauma-Anamnese (direktes Trauma bei Kontusion) und das Auftreten in Gelenknähe.
Therapie
Eine ausführliche Anamnese ist bei der Diagnose einer Ermüdungsfraktur für den Therapieerfolg entscheidend. Das Erfragen und Identifizieren von möglichen Trainingsfehlern, Änderungen der Trainingsintensität, fehlende Berücksichtigung von Änderungen extrinsischer Faktoren (Untergrund, Schuhwerk), fehlenden Ruhepausen oder anderweitige Verletzungen sind hierbei als Schlüsselfaktoren zu nennen.
Hauptpfeiler der Therapie ist das Verringern der sportlichen Aktivität auf ein Level unterhalb der schmerzhaften Belastung sowie das Modifizieren des Trainings. Schmerzen haben sich im klinischen Verlauf als bester Indikator für das Anschlagen der Therapie/ den Heilungsprozess erwiesen. Die Arzt-Patienten-Beziehung ist ein weiterer zentraler Punkt. Ausführliche Aufklärung über das Krankheitsbild, ‑verlauf und die nötige Compliance des Athleten sind notwendig um das Risiko des Fortschreitens der Ermüdungsfraktur in das nächste Stadium oder bis zur kompletten Fraktur zu vermeiden.
Die konservative Therapie umfasst drei Phasen wie von Albrecht et al.1 zusammengefasst:
- Kontrolle der Schmerzen mittels Kühlung, physiotherapeutischen Maßnahmen, Trainingspause oder modifizierte Trainingspausen.
Die (Teil-) Entlastung an Unterarmgehstützen ist notwendig, wenn Schmerzen bereits beim Gehen im Alltag vorhanden sind. Die spätere Belastungssteigerung sollte anhand des Schmerzverlaufes entschieden werden. Bei Schmerzfreiheit kann die Belastung kontrolliert gesteigert werden, mit je einem Ruhetag zur Regeneration nach Belastung. Nach 3–5 schmerzfreien Tagen beginnt Phase (2).
- Übungen mit Last, jedoch ohne Stöße (z.B. Stepper) und sportspezifisches Muskeltraining. In dieser Phase sollten muskuläre Dysbalancen ausgeglichen werden. Ausdauertraining wie Schwimmen, Aqua-Jogging oder Radfahren können erfolgen, wenn denn schmerzfrei durchführbar.
- Die letzte Phase sieht den dosierten, kontinuierlichen Wiedereinstig zu sportartspezifischen Aktivitäten vor.
Grundsätzlich sprechen die meisten Ermüdungsfrakturen auf ein konservatives Therapieregime an, eine operative Therapie ist selten indiziert. Jedoch gibt es Ermüdungsfrakturen die ein erhöhtes Risiko für verzögerte Knochenheilung, Pseudarthrosenentwicklung oder Ausbildung einer kompletten Fraktur aufzeigen. Als Beispiel hierfür ist die anteriore Tibiastressfraktur zu nennen. Als operative Therapiemöglichkeiten stehen intramedulläre Nagelung, Anbohren der Pseudarthrose und Debridement mit Spongiosaplastik zu Verfügung. 3, 8, 9
Zusammenfassung
Ermüdungsfrakturen sind häufige Verletzungen beim Sportler. Bei diffusen Belastungsschmerzen während sportlichen Aktivitäten im Bereich des Knochens ist an einen Ermüdungsbruch zu denken, umso mehr, wenn anamnestisch kürzlich eine Änderung der Trainingsgewohnheiten erfolgt ist. Bei frühzeitiger Diagnosesicherung sind wenige Wochen Rehabilitationszeit meist ausreichend um zu gewohnten Trainings- und Wettkampfbedingungen zurückzukehren. Somit sollte die Diagnostik bei dem klinischen Verdacht auf eine Ermüdungsfraktur frühzeitig mit einer MRT (= Goldstandard) eskaliert werden. Die meisten Ermüdungsfrakturen sprechen auf ein konservatives Therapie-Management an, jedoch ist selten eine operative Therapie indiziert.
Autoren: Univ.-Prof. Dr. med. Ulrich Stöckle und Priv.-Doz. Dr. med. Lucca Lacheta
Korrespondenzadresse:
Univ.-Prof. Dr. med. Ulrich Stöckle
Charitè Universitätsmedizin Berlin
Augustenburgerplatz 1, 13353 Berlin
Email: ulrich.stoeckle@charite.de
Literatur
1. Albrecht SB, R.M. Stressfrakturen. Schweiz. Zeitschrift für Sportmedizin und Sporttraumatologie. 2004;52:27–30.
2. Bennell KL, Malcolm SA, Thomas SA, Wark JD, Brukner PD. The incidence and distribution of stress fractures in competitive track and field athletes. A twelve-month prospective study. Am J Sports Med. 1996;24:211–217.
3. Chang PS, Harris RM. Intramedullary nailing for chronic tibial stress fractures. A review of five cases. Am J Sports Med. 1996;24:688–692.
4. Harrast MA, Colonno D. Stress fractures in runners. Clin Sports Med. 2010;29:399–416.
5. Deutsch AL, Coel MN, Mink JH. Imaging of stress injuries to bone. Radiography, scintigraphy, and MR imaging. Clin Sports Med. 1997;16:275–290.
6. Arendt EAG, H.J. The use of MR imaging in the assessment and clinical management of stress reactions of bone in high-performance athletes. Clin. Sports Med. . 1997;16:191–306.
7. Fredericson M, Bergman AG, Hoffman KL, Dillingham MS. Tibial stress reaction in runners. Correlation of clinical symptoms and scintigraphy with a new magnetic resonance imaging grading system. Am J Sports Med. 1995;23:472–481.
8. Green NE, Rogers RA, Lipscomb AB. Nonunions of stress fractures of the tibia. Am J Sports Med. 1985;13:171–176.
9. Orava S, Karpakka J, Hulkko A, et al. Diagnosis and treatment of stress fractures located at the mid-tibial shaft in athletes. Int J Sports Med. 1991;12:419–422.